„Hercule“ zum Mordfall Nadine Ostrowski / z.K. Prof. Henning Ernst Müller, Oliver Garcia, Gustl Mollath

Ein Wissenschaftler, der meine Kommentare im Beck-Blog zum Fall Mollath verfolgt hatte, hat sich in einem an mich gerichteten Brief, der mir im Original unterschrieben vorliegt,  zum Mordfall Nadine Ostrowski geäußert.

Vorübergehend werde ich diesen Wissenschaftler einfach als „Hercule“ bezeichnen, und habe seinen Identitätsdaten aus dem Brieftext entfernt. Eventuell können kleine Fehler enthalten sein, da ich den Brief mit einem OCR-Programm aus gescannten Bildern in die Textform übertragen musste. Zwar habe ich Übertragungsfehler korrigiert, es könnte mir aber einiges entgangen sein.

Dipl.-Kfm Winfried Sobottka, UNITED ANARCHISTS

Hier nun eine Stellungnahme eines Wissenschaftlers:

An
Dipl.-Kfm. Winfried Sobottka
Karl-HaarmanmStr. 75
44536 Lünen

*****, den 03.02.2014

Sehr geehrter Herr Sobottka,

vor einiger Zeit machten Sie mich im Rahmen Ihrer Kommentare auf dem Beck-Blog von Prof. Müller zum Fall Mollath auf den aus Ihrer Sicht ebenfalls skandalösen Fall des Mordes an Nadine O. aus Wetter aufmerksam.

Ich habe mich mittlerweile einige Zeit mit dem Fall beschäftigt und gebe gerne zu,  dass Sie aus meiner Sicht Recht haben: Hier gibt es eine Vielzahl an Ungereimtheiten, die einer genaueren Untersuchung bedürfen.

Ich habe vor, Ihnen heute zunächst meine Einschätzung zum Strafurteil
gegen den Philip J mitzuteilen, werde aber in nächster Zeit auch noch meine Einschätzungen zur Rolle des Verurteilten Philip J. (Täter ja oder nein?) und zur Rolle der vor der Tat anwesenden Freundinnen der Nadine O. mitteilen. Hier bin ich noch zu keiner abschließenden eigenen Meinung gelangt.

Bei meinen Einschätzungen stütze ich mich auf die öffentlich zugänglichen
Dokumente, also Presseartikel und das im Netz verfügbare Urteil 51 Kls 400 Js 563/96 (31/06).

Zunächst zu den Auffälligkeiten im Urteil des Landgerichts Hagen vom 21.06.2007:

1. Tatzeitraum:

Die Tat wurde laut Urteil im Zeitraum zwischen 23:30 am 19.08.2006 (zu diesem Zeitpunkt wurde Jana K. von lhrem Valer abgeholt. S. 13 des Urteils) und 00:43 am 20.08.2006 (Hier hat sich Philip J nachweislich seines heimischen PCS bedient)  begangen. Der Zeitraum, in dem sich die Tat ereignet haben muss, beträgt also 73 Minuten, rund eineinviertel Stunden.

Um 22:50 betankte der Verurteilte nachweislich sein Fahrzeug an einer Shell-Tankstelle Wetter-Wengern und zwischen 23:54 und 00:03 wurden SMS mit dem Telefon von P. versandt, was bedeutet, dass er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Haus des Mordopfers gewesen war (Ein Telefonat dort, im Beisein des Opfers erscheint mir doch unwahrscheinlich).

Der mögliche Tatzeitraum ist dadurch auf die Zeit zwischen 00:03 und 00:43 abzüglich  der Zeit für die Heimfahrt vom Tatort nach Hause und der Zeit fur die Fahrt vom Standort, von dem er die SMS versandt hat, zum Tatort beschränkt. Das sind knapp 30 Minuten.

lnnerhalb dieser 30 Minuten können sich die vom Gericht im Urteil angenommenen Ereignisse abgespielt haben. Unwahrscheinlich, ja aus wissenschaftlicher Sicht nahezu unmöglich erscheint aber, dass ein unvorbereiteter Täter, der zum Zeitpunkt des Betretens des Hauses auch nicht vorhatte, ein Kapitalverbrechen zu begehen, es schafft, innerhalb dieses Zeitraums bis auf eine DNA-Spur an einem Lichtschalter
keinerlei verwertbare Spuren zu hinterlassen, obwohl er in dieser Zeit Türen betätigt hat und weiteres mehr.

2. Geständnis

Philip hat einen Tathergang gestanden, der sich definitiv nicht mit der Spurenlage am Tatort deckt — sehr wohl aber auf Grund von anderweitig bekannt gewordenen Fakten (Presseartikel etc.) möglich gewesen wäre. Die Gerichtssachverständigen konnten aber eindeutig aussch|ießen, dass sich die Tat so zugetragen hat, wie von Philip gestanden. Nachdem die Berichte der Sachverständigen vor Gericht gehört wurden. hat derAngeklagte Philip seine falschen Angaben jedoch nicht korrigiert.
Weswegen gesteht ein Täter einen falschen Tatablauf und — wenn er sowieso weiß, dass er auf Grund des Gesténdnisses sicher verurteilt wird — warum korrigiert er dann sein Geständnis nicht? Die im Urteil genannten Abläufe lassen auf ein planvolles Vorgehen schließen, nachdem die Tat begangen wurde. Kaltblütigkeit könnte man das nennen. Dies spricht aus meiner Sicht nicht für eine retrograde Amnesie, die ihm nicht ermöglicht, sich des Tatgeschehens zu erinnern. Hier bin ich jedoch nicht der geeignete Fachmann für eine Bewertung.

3. Spurenlage -Telefon

Vorbemerkung: Laut Urteil wurde das Opfer zunächst in der Küche mit einer Stabtaschenlampe mehrfach auf den Kopf geschlagen und ?üchtete dann in die Gästetoilette, um die Wunde im Spiegel zu betrachten. In der Gästetoilette soll das Opfer mit einem Telefonkabel erwürgt worden sein. Die Drosselung erfolgte eindeutig mit einem kabelartigen Gegenstand. Das Telefon der Familie O wurde vom Tatort entfernt. Es fanden sich Reste des TAE Steckers des Telefonkabels in der TAE-Dose und ein Kabel- bzw. Steckerteil (unklarer Herkunft?) unter der Leiche. Das Telefon und
ein (zum Telefon der Familie 0. passendes?) Telefonanschlusskabel mit abgetrenntem TAE-Stecker wurde später hinter einem Schrank des mutmaßlichen Täters entdeckt. Am dort gefundenen Kabel wurden Blut- und DNA-Spuren gefunden.

lm Urteil ist zu Beginn die Rede davon, dass sich im Haus der Familie O. ein
analoges Telefon (nach meinen Recherchen ein T-Concept PA 710) mit vieradrigem Kabel vom Netzteil und zweiadrigem Telefonkabel befunden habe (Seite 16 des Urteils). Beim Telefonkabel soll es sich um ein Tatvverkzeug gehandelt haben.

Verwunderlich erscheint zunächst der sachliche Fehler in der mir vorliegenden Urteilsschrift: Beim T-Concept PA 710 handelt es sich um ein Telefon mit Anrufbeantworter, daher die Versorgung mit Strom über ein Netzteil. Dieses Netzkabel ist aber in der Regel zweiadrig ausgeführt, wohingegen das Telefonanschlusskabel bei einem Modell mit oder ohne Anrufbeantworter sinnvolleniveise immer über 4 Adern verfügt, ja verfügen muss, um die TAE Beschaltung zu ermöglichen. Ein nur Z-adriges Kabel würde zwar ein Telefonieren ermöglichen, die Beschaltung einer TAE-Dose jedoch gehörig durcheinanderbringen bzw. unmöglich machen. Jedes Original—TAE-Kabel für ein analoges Endgerät wird daher auf jeden Fall über vier Adern verfügen!

Dieser Fehler wäre ohne Belang, wenn nicht genau dieses Telefonkabel im weiteren Urteilstext eine größere Rolle spielen würde:

Auf Seite 21 des Urteils wird nämlich dann erwähnt, dass unter der Leiche der Nadine O. ein Teil eines vieradrigen Steckers gefunden wurde (das Kabel sei abgerissen gewesen, Reste eines (anderen?) Steckers konnten in der TAE Dose des Hauses gefunden werden). Weiter heißt es: „Die Herkunft des Steckers [unter der Leiche, nicht die Reste in der TAE Dose] konnte nicht geklärt werden“.

Dies ist für mich unerklärlich, da es sich um einen passenden Stecker zum Telefon gehandelt haben solltet Vieradrig, egal ob mit „F“ oder „N“ Codierung ist das richtige Kabel für ein Endgerät wie das Telefon Modell T-Concept PA 710. Ansonsten würde bei einer NFN-TAE Dose durch das Einstecken eines Gerätes die jeweils nach dem Gerät geschalteten anderen Dosen abgeschaltet.

Nun wurde im Zuge einer Durchsuchung des Zimmers von Philip J. jedoch ein Telefonkabel mit fehlendem TAE Stecker gefunden, das sich dadurch auszeichnete, dass auf diesem Kabel die DNA des Mordopfers und deren Blut gefunden wurde (Urteil Seite 30). Dem Urteil nicht zu entnehmen ist, ob dieses Kabel zweiadrig oder vieradrig ausgeführt war, jedoch schließe ich aus der oben zitierten Passage des Urteils, in der ein zweiadriges Kabel als zum Telefon der Familie O. gehörend beschrieben wurde, dass es sich bei dem hinter dem Schrank von Philip gefundenen Kabel um ein zweiadriges Kabel gehandelt haben wird, ansonsten würde das Urteil
auch hier direkt fehlerhaft sein. Zweiadrige Kabel werden meiner Information nach bei moderneren Geräten für Modems genutzt, mit der Folge, dass „damit ein solches Modem als N-Gerät das dahinter/legende Telefon nicht abschaltet, ist ein spezielles gebrücktes Modemkabel erforderlich, bei dem die unterbrochene Leitung durch zwei
Drahtbrücken im TAE—N-Stecker überbrückt ist.“ 1

Sollte das bei Philip gefundene Kabel also zweiadrig gewesen sein, so handelte es sich um ein Modemkabel und mit Sicherheit nicht um ein zum T-Concept PA 710 passendes Telefonkabel.

Laut Urteil (S.37) war „Der unter der Leiche aufgefundene Telefonstecker‘[ …] „weder einem Kabel aus dem Haushalt der Familie O. noch einem bei dem Angeklagten aufgefundenen Kabel zuzuordnen. “ Dies verwundert, da ein vieradriges TAE-Kabel (Egal ob N oder F codiert), so es sich um ein Kabel nach Deutscher Norm handelt, aufjeden Fall mit dem Telefon hätte harmonieren müssen!

Folgt man dem Urteil, ist also die Herkunft des am Tatort gefundenen Steckers ein Rätsel: Wie kann ein Telefonkabelteil, das weder vom im Haus fehlenden Telefon stammt, noch vom Täter mitgebracht wurde, einfach so in einer Gästetoilette unter das Opfer eines Tötungsdeliktes kommen, das zufälligerweise auch noch mit einem ANDEREN Telefonkabel umgebracht wurde?

Interessanterweise wurde aber — so zumindest in den Presseberichten, die während des Prozesses veröffentlicht wurden, die Sachlage genau umgekehrt dargestellt:

So heißt es in einem am 24.04.2007 in der Westfalenpost erschienenen Artikel.‘ „Im Zeugenstand erklärte Thomas Minzenbach (38), kriminaltechnischer Experte im Landeskriminalamt: Zwar gehöre dieser Stecker [der unter der Leiche gefunden wurde] zu dem vom Tatort entwendeten Telefon, das Tatkabel (mit DNA-Spuren vom Täter und vom Opfer) aber mit Sicherheit nicht. ‘a

Das passt sehr viel besser ins Bild, denn das Entfernen eines Telefons samt Kabel vom Tatort ergibt dann Sinn, wenn dies geschieht, um Spuren zu verwischen, mit dem Telefonkabel also das Corpus Delicti entfernt wird.

Zur Info über TAE Beschaltung hilfreich: http://de.wikipedia.org/wiki/Telekommunikations- Anschluss-Einheit
Vertiefende Information zurTAE—Beschaltung: http://www.tocker.de/tae/tae.html
“Plante Philipp J. das Verbrechen an Nadine? | DerWesten – Lesen Sie mehr auf:
http:llwww.derwesten.de/wplsfaedtelnachrichten-aus-wetter-und-herdecke/plante-philipp-j-das-verbrechen-an-nadine-id1948877.html#plx2054404903

Allerdings ist dann die Existenz eines komplett anderen, nicht zum Telefon des Opfers passenden Kabels im Zimmer des Philip, einem Kabel, an dem tatsächlich auch Spuren des Opfers gefunden wurden, komplett überflüssig!
Das Urteil gibt also auf jeden Fall einen nicht schlüssigen, wenn nicht sogar einen falschen Tatablauf wieder. Das wird auch dadurch gestützt, dass, geht man von den Aussagen des Thomas Minzenbach laut Presseberichten aus, der größte Teil des echten Telefonkabels vom Festnetzapparat am Tatort letztendlich verschwunden sein muss. Wäre Philip der Täter, könnte nur er ihn entsorgt haben. Doch warum soll er dann ein anderes Kabel mit Blut beschmiert und hinter seinem Schrank versteckt
haben?

Diesen Widerspruch aufzulösen, sah sich das Gericht offensichtlich nicht in der Lage.

Im Urteil stützt sich die Konstruktion der Täterschaft des Philip J. aber maßgeblich auf das bei Philip J. gefundene Kabel, an dem ja DNA und Blut des  Opfers isoliert werden konnten, ohne jedoch die tatsächliche Herkunft des Kabels zu erklären, denn die im Urteil getroffene Aussage, es sei das Kabel des Festnetzanschlusses, kann dann als widerlegt gelten, wenn es sich bei dem gefundenen Kabel tatsächlich um ein zweiadriges (Modem-)Kabel gehandelt hat.

Zurück zum Urteil: Ich schließe aus der auf Seite 16 des Urteils zu findenden Passage, dass sich im Haus der Familie O. ein analoges Telefon mit vieradrigem Kabel vom Netzteil und zweiadrigem Telefonkabel befunden habe, zunächst darauf, dass das bei P. gefundene Kabel zweiadrig war. Damit scheidet dieses Kabel aber als Anschlusskabel des Telefons der Familie O. aus.

Die Verdrehung der Tatsachen im Urteil ergibt dann Sinn, wenn die Passage auf Seite 16 dazu dienen soll, die Ungeklärtheit der Herkunft des Kabelstückes unter der Leiche, das vieradrig ausgeführt war, zu begründen, und das bei P. gefundene Kabel als Tatwerkzeug ansehen zu können.

Für den Fall, dass das Tötungsdelikt jedoch mit dem Kabel, das zum Telefon der Familie O. gehört hatte, begangen wurde, ist das bei Philip gefundene Kabel nicht das Tatkabel! Das tatsächliche Tatkabel ist dann verschwunden, wobei dann zu klären wäre, wie ein, dem äußeren Anschein nach „passendes“ Kabel (Telefonkabel, zwar zweiadrig, aber „passenderweise“ mit abgeschnittenem Stecker), das zudem
noch mit Spuren des Täters und des Opfers aufwarten konnte, hinter den Schrank des Philip gelangte.

Sehr geehrter Herr Sobottka, soviel für heute, ich musste gerade feststellen, dass es im Urteil noch weitere unklare Stellen gibt (Keine Blutspuren auf der Taschenlampe zu finden, etc.)‚ die ich mir in den kommenden Tagen genauer ansehen werde.

Schon jetzt steht für mich fest, dass das Gericht offenbar nicht die Wahrheitsfindung in den Fokus gestellt hat, ansonsten hätte man versuchen müssen diese, doch sehr entscheidenden Widersprüche vor der Verurteilung aufzuklären.

Mit freundlichen Grüßen

________________________

Soweit bisher von Hercule.

Eine Antwort

  1. […] Eltern diente, von dem es im Gerichtsurteil u.a. heißt, zu ihm gehöre ein vieradriges Netzkabel. Wie schon von Hercule herausgearbeitet, ist das falsch: Das zugehörige Netzkabel, über einen Weste… Ich werde darauf noch detaillierter […]

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